Warum ist Ruby so populär? Fans nennen es schön und künstlerisch, aber gleichzeitig funktional und praktisch. Wie kommt das?
Die Ideale des Ruby-Erfinders
Ruby ist eine Sprache der Balance. Ihr Schöpfer Yukihiro “Matz” Matsumoto kombinierte Teile seiner Lieblingssprachen (Perl, Smalltalk, Eiffel, Ada und Lisp) und formte daraus eine neue Programmiersprache, in der funktionale und imperative Programmierung ausbalanciert sind.
Er hat oft gesagt, er versuche “Ruby natürlich zu machen, nicht einfach”, als Spiegel des echten Lebens.
Darauf aufbauend fügt er hinzu:
Ruby is simple in appearance, but is very complex inside, just like our human body1.
Ruby wirkt simpel, aber ist innen sehr komplex, genau wie der menschliche Körper.
Ruby wächst
Seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1995 hat Ruby Programmierer auf der ganzen Welt angezogen und begeistert. Im Jahr 2006 hat Ruby die Massen erreicht: Aktive Usergroups entstehen in den großen Weltstädten und Konferenzen rund um Ruby sind ausverkauft.
Ruby-Talk, die wichtigste Mailingliste für Diskussionen rund um Ruby, erreichte 2006 einen Spitzenwert von etwa 200 Nachrichten pro Tag. Seither ist die Aktivität wieder zurückgegangen, da mit dem starken Anwachsen der Community zahlreiche kleinere Listen entstanden sind.
Die meisten Indizes, die das Wachstum und die Beliebtheit von Programmiersprachen weltweit messen, listen Ruby unter den beliebtesten zehn Sprachen (wie zum Beispiel der TIOBE-Index). Ein großer Teil dieses Wachstums ist der Beliebtheit von in Ruby geschriebener Software zu verdanken, insbesondere dem Web-Framework Ruby on Rails.
Ruby ist außerdem absolut frei. Nicht nur kostenlos, sondern auch frei zu benutzen, zu kopieren, zu verändern und zu vertreiben.
Alles ist ein Objekt
Am Anfang hat Matz andere Sprachen studiert, um die ideale Syntax zu finden. An diese Suche erinnert sagt er: “Ich wollte eine Skriptsprache, die mächtiger als Perl und objektorientierter als Python ist2.”
In Ruby ist alles ein Objekt. Jedes Stück Information kann eigene Eigenschaften und Aktionen besitzen. In der Welt der objektorientierten Programmierung nennt man diese Eigenschaften Instanzvariablen und die Aktionen Methoden. Rubys rein objektorientierter Ansatz wird üblicherweise mit einem Stück Code demonstriert, in dem die Methode einer Zahl aufgerufen wird:
In vielen Sprachen sind Zahlen und andere primitive Typen keine Objekte. Ruby folgt dem Einfluss von Smalltalk und gibt all seinen Typen Methoden und Instanzvariablen. Das erleichtert die Verwendung von Ruby, da die Regeln für Objekte überall in der Sprache gültig sind.
Rubys Flexibilität
Ruby wird als flexible Sprache angesehen, da der Programmierer die Bestandteile der Sprache beliebig verändern kann. Zentrale Teile von Ruby können gelöscht oder umdefiniert werden. Vorhandenes kann erweitert werden. Ruby versucht, den Programmierer nicht zu behindern.
Ein Beispiel: In Ruby wird mit dem Plus-Operator (+
) addiert. Aber
wenn man lieber das Wort plus
benutzen möchte, kann man diese Methode
zu Rubys eingebauter Klasse Numeric
hinzufügen.
Rubys Operatoren sind syntaktischer Zucker für Methoden; man kann sie ebenfalls umdefinieren.
Blöcke: Ein mächtiges Ruby-Konstrukt
Auch Rubys Blöcke bieten große Flexibilität. Der Programmierer kann eine echte Closure an eine Methode übergeben, die beschreibt, wie diese Methode arbeiten soll. Diese wird Block genannt und ist zu einer der beliebtesten Eigenschaften von Ruby geworden – insbesondere unter Ruby-Neulingen, die vorher mit imperativen Sprachen wie PHP oder Visual Basic gearbeitet haben.
Blöcke sind durch funktionale Programmiersprachen inspiriert. Matz sagt: “Mit Ruby-Closures wollte ich die Kultur von LISP bewahren3.”
Im obigen Quelltext steht der Block zwischen do
und end
. Die Methode
map
wendet den Block auf die gegebene Liste von Namen an. Viele andere
Ruby-Methoden lassen ähnliche Lücken offen, damit der Programmierer
Details der Vorgehensweise einfügen kann.
Ruby und Mixins
Im Gegensatz zu vielen anderen objektorientierten Sprachen unterstützt Ruby nur Einfachvererbung – mit Absicht. Dafür kennt Ruby Module (in Objective-C Categories genannt). Module sind Methodensammlungen.
Klassen können Module einmixen und bekommen dadurch all ihre Methoden
geschenkt. Zum Beispiel kann jede Klasse, die die Methode each
implementiert, das Modul Enumerable
einmixen, und erhält zwei Dutzend
neue Methoden, die auf each
aufbauen (wie map
).
Im Allgemeinen halten Rubyisten Mixins für klarer als Mehrfachvererbung, die komplex und einschränkend sein kann.
Rubys äußeres Design
Obwohl Ruby eine eher begrenzte Zeichensetzung zu Gunsten von englischen Schlüsselworten verwendet, werden einige Zeichen zum Ausschmücken benutzt. Ruby verlangt keine Variablendeklarationen. Ruby nutzt einfache Namenskonventionen, um den Geltungsbereich von Variablen festzulegen:
var
kann eine lokale Variable sein.@var
ist eine Instanzvariable.$var
ist eine globale Variable.
Diese Präfixe verbessern die Lesbarkeit, indem sie dem Programmierer
erlauben, die Rollen der einzelnen Variablen zu erkennen. Außerdem wird
dadurch das self.
vor jeder Instanzvariablen überflüssig.
Jenseits der Grundlagen
Ruby hat eine Fülle weiterer Features, unter ihnen folgende:
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Ruby kennt Exceptions wie Java oder Python, um Fehlerbehandlung zu vereinfachen.
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Ruby hat einen echten Mark-and-Sweep-Garbage-Collector für alle Ruby-Objekte. Es ist nicht nötig, Referenzen in Erweiterungsbibliotheken zu zählen. Wie Matz sagt: “Das ist besser für die Gesundheit.”
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C-Erweiterungen für Ruby zu schreiben ist einfacher als in Perl oder Python, da es eine sehr elegante API zum Aufrufen von Ruby aus C besitzt. Das schließt auch Aufrufe ein, um Ruby als Skriptsprache in fremde Software zu integrieren. Ein SWIG-Interface ist ebenfalls verfügbar.
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Ruby kann Erweiterungen dynamisch laden, wenn es das Betriebssystem erlaubt.
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Ruby hat plattformunabhängige Threads. Damit steht unter allen Systemen, die Ruby unterstützen, auch Multithreading zur Verfügung, sogar unter MS-DOS!
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Ruby ist in hohem Maße portabel: Es wird vorrangig auf GNU/Linux entwickelt, arbeitet aber auf vielen UNIX-Varianten wie macOS, auf Windows, DOS, BeOS, OS/2, usw.
Alternative Ruby-Implementierungen
Ruby als Sprache hat einige verschiedene Implementierungen. Diese Seite diskutiert die Referenzimplementierung, in der Community auch bekannt als MRI („Matz’ Ruby-Interpreter“) oder CRuby (da sie in C geschrieben ist), es gibt aber noch einige weitere. Oftmals sind diese in bestimmten Situationen nützlich, stellen spezielle Sprach- oder Umgebungsintergration zur Verfügung oder haben einfach spezielle Features, die MRI nicht hat.
Hier ist eine Liste:
- JRuby ist ein Ruby auf der JVM (Java Virtual Machine), das von den optimierenden JIT-Compilern der JVM, ihrem Garbage Collector, nebenläufigen Threads, diversen Tools und einer immensen Menge an Programmbibliotheken profitiert.
- Rubinius ist ein „Ruby geschrieben in Ruby“. Aufgebaut auf der LLVM stellt Rubinius eine gute virtuelle Maschine zur Verfügung, auf der sogar andere Sprachen aufbauen. Ebenso wie JRuby besitzt es echt nebenläufige Threads, ist jedoch im Gegensatz zu diesem kompatibel zur C-API des MRI.
- mruby ist eine schlanke Ruby-Implementierung, die gelinkt und in Anwendungen eingebunden werden kann. Die Entwicklung von mruby wird von Yukihiro “Matz” Matsumoto geleitet, dem Schöpfer von Ruby.
- IronRuby integriert sich gut in die .NET-Plattform.
- MagLev definiert sich selbst als „eine schnelle, stabile Ruby-Implementierung mit integrierter Objektpersistenz und verteiltem Shared Cache“.
- Cardinal ist ein „Ruby-Compiler für die Parrot Virtual Machine“ (Perl 6).
Referenzen
1 Matz in der Ruby-Talk-Mailingliste am 12. Mai 2000.
2 Matz in An Interview with the Creator of Ruby, 29. November 2001.
3 Matz in Blocks and Closures in Ruby, 22. Dezember 2003.