Es ist schwierig, eine Liste von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Ruby und C++ oder C zusammenzustellen, weil schon der Unterschied zu C++ sehr groß ist. Eine Grundidee von Ruby ist es, dem Entwickler die Arbeit möglichst zu erleichtern, indem die Laufzeitumgebung viele Aufgaben implizit übernimmt. Dies ist dem Prinzip der Sprache C, keine versteckten Mechanismen (no hidden mechanism) zu haben, diametral entgegengesetzt. Wenn Sie Ihren Quelltext nicht gerade optimieren wollen (wovon ohnehin meist abzuraten ist), brauchen sie sich bei Ruby nicht darum zu kümmern, einen Compiler (oder eben den Ruby-Interpreter) “glücklich” zu machen.
Es dürfte ohnehin klar sein, dass interpretierter Programmcode deutlich langsamer ausgeführt wird als “vergleichbarer”, von einem optimierenden C- oder C++-Compiler erzeugter Maschinen-Code — wenn auch vermutlich nicht gar so langsam, wie Sie befürchten. Falls sich jedoch herausstellt, dass Ruby-Code an performance-kritischen Stellen zu langsam ist oder Zugriff auf plattformspezifische Resourcen außerhalb des Ruby-Universums benötigt werden, bietet sich die Möglichkeit, sogenannte Erweiterungsmodule (extension modules) in C zu schreiben, die sich genau wie andere Ruby-Module verhalten.
Und natürlich ist der Ruby-Interpreter selbst in C geschrieben.
Andererseits werden Sie sich schnell daran gewöhnen, wie schnell Sie eine Ruby-Applikation entwickeln und wie kurz die Iterationszyklen sind. Und Sie werden überrascht sein, wie wenige Code-Zeilen notwendig sind, ohne dass der Code kryptisch und unwartbar wird. Ruby ist erheblich einfacher und produktiver zu programmieren als C++, und das werden Sie schnell nicht mehr missen wollen.
Da es keinen Compiler gibt, erübrigt sich die Unterscheidung zwischen Compile-Zeit und Laufzeit. Dementsprechend stellt sich erst zur Laufzeit heraus, ob ein Objekt eine aufgerufene Methode überhaupt kennt. Wenn es sie kennt, wird sie allerdings auch aufgerufen, was die Verwendung von abstrakten Typen und Methoden überflüssig macht.
Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten mit C
Ruby und C haben tatsächlich eine Reihe von Gemeinsamkeiten:
- Man kann in Ruby prozedural programmieren. (Man kann in jeder Programmiersprache FORTRAN programmieren…) Allerdings nicht, ohne viele der vorhanden Objekte zu verwenden.
- Die meisten der Operatoren sind gleich, einschließlich der
zusammengesetzten Zuweisungsoperatoren wie
+=
und der bitweisen Operatoren. Allerdings gibt es keinen++
- oder--
-Operator. - Es gibt
__FILE__
und__LINE__
. - Es gibt Konstanten, die allerdings nicht durch ein spezielles
Schüsselwort wie
const
markiert werden. Stattdessen werden Konstanten durch Großschreibung (implizit) markiert. - String-Literale werden in doppelte Anführungszeichen gesetzt (können aber auch in einfachen Anführungszeichen stehen, was subtile Bedeutungsunterschiede hat).
- Strings sind veränderlich.
- Die meiste Dokumentation kann mit dem
ri
-Befehl in einem Terminal-Fenster angezeigt werden, genau wie man pages unter Unix. - Es gibt einen
ruby-mode
für emacs und einen Kommandozeilen-Debugger. Aber es gibt natürlich auch integrierte Entwicklungsumgebungen.
Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten mit C++
Mit C++ gibt es eine Reihe von formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen:
- Es gibt weitere gemeinsame Operatoren wie
::
. Der Shift-Operator<<
wird z. B. auch verwendet, um Elemente an eine Liste anzuhängen. Es gibt allerdings keine Pointer und folglich keinen Pfeil-Operator->
, es wird immer der Punkt.
verwendet. - Die Schlüsselworte
public
,private
undprotected
haben ähnliche Bedeutung. - Die Vererbungssyntax benötigt nur ein Zeichen (und kein Schüsselwort),
allerdings ist es das Kleiner-Zeichen
<
anstelle des Doppelpunkt:
. - Analog zu den Namensräumen in C++ gibt es Module, die Methoden und Klassen aufnehmen können.
- Exceptions funktionieren auf vergleichbare Art und Weise, allerdings gibt es andere Schlüsselwörter.
Unterschiede zwischen Ruby und C
Es gibt allerdings deutlich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen Ruby und C:
- Stand Ruby 1.8 wird Ruby-Code interpretiert. Es gibt keinen Compiler, der Machinen- oder Byte-Code erzeugt.
- Es gibt keine direkte Möglichkeit, Assembler-Code zu verwenden.
- Ruby-Code wird so interpretiert, wie er ist. Dementsprechend gibt es
keinen Präprozessor und keine Makros. Anstelle von mit
#define
festgelegten Namen für Literale werden Konstanten verwendet. - Es werden keine header-Dateien benötigt. Alle Funktionen (die unter Ruby Methoden genannt werden) und Strukturen werden in Modulen oder direkt im Hauptquelltext angelegt.
- Anstelle von
#include <bla.h>
oder#include "bli"
wirdrequire 'blubb'
geschrieben. - Der Typ von Objekten wird zur Laufzeit überprüft, allerdings sind
Variablen typenlos (sozusagen
void
). Dementsprechend gibt es keine Type-Casts und keinetypedef
s. - Das Speichermodell von Ruby ist aus Sicht des Programmierers sehr einfach: Alle Klassen und Objekte werden (implizit) auf dem Heap gespeichert. Es gibt einen Garbage-Collector der den Speicher nicht mehr referenzierter Objekte wieder freigibt. Der Programmierer muss sich nur insoweit um die Speicherverwaltung kümmern, als dass nicht mehr benötigte Objekte, die in irgend einer Liste stecken, aus dieser entfernt werden. Speicher muss weder explizit angefordert noch freigegeben werden.
- Die technischen Aspekte eines Objekts (Größe und Speicheradresse) sind
irrelevant, dementsprechend gibt es keine Pointer und kein
sizeof
. - Es gibt keine
enum
s. Es gibt zwar Symbole, die aber keinen implizit zugeordneten Zahlenwert haben. - Parameter von Methoden (oder Funktionen) werden immer als Wertparameter übergeben, wobei die Werte selbst stets Referenzen auf Objekte sind.
- Lokale Variablen werden nicht explizit deklariert. Es wird einfach ein typenloser Name vergeben und Wert zugewiesen, wo gerade eine lokale Variable benötigt wird.
- Ruby kommt weitgehend ohne Semikolons aus. Ein Statement ist am
Zeilenende zuende, es sei denn, es geht offensichtlich weiter, weil
das letzte Zeichen ein Operator, z. B.
+
, ist. Man kann Zeilen auch mit\
fortsetzen. - Ruby kommt mit bedeutend weniger runden Klammern aus:
if
- undwhile
-Bedingungen müssen nicht in Klammern stehen. Auch bei Methodenaufrufen dienen Klammern nur der Eindeutigkeit. - Für mehrzeilige Konstrukte wie Klassen und Methoden, aber auch
if
-Blöcke oderwhile
-Schleifen werden keine geschweiften Klammern verwendet, sie enden mit dem Schlüsselwortend
. - Das
do
-Schlüsselwort hat eine andere Bedeutung als in C (kann aber in Konstrukten verwendet werden, die einemdo
-while
-Block recht ähnlich sind). Ein Code-Block in geschweiften Klammern oder zwischendo
undend
wird einer Methode übergeben, ähnlich einem impliziten Funktionspointer. Allerdings bietet dieses Konstrukt ungleich mehr Möglichkeiten, wie z. B. den Zugriff auf lokale Variablen der Umgebung. - Wahrheitswerte werden anders ausgewertet als in C: nur
false
undnil
gelten als falsch, alles andere ist wahr, und zwar insbesondere auch0
,0.0
,""
und"0"
. - Es gibt keine einzelnen Zeichen, also
char
s. Ein String kann allenfalls in Strings der Länge 1 zerlegt werden. - Strings enden nicht mit einem 0-Zeichen. Ihre Länge wird nicht durchgezählt sondern ist ein Attribut.
- Array-Literale stehen in eckigen und nicht in geschweiften Klammern.
- Arrays werden automatisch länger, wenn Elemente hinzugefügt werden.
- Auch ein Array ist kein Pointer. “Addiert” man zwei Arrays, bekommt man keine Pointer-Arithmetik, sondern ein neues Array mit den Elementen der beiden Summanden.
- Fast alles hat einen Rückgabewert, auch
if
undwhile
. Wer eine Allergie gegen den ternären Operator?:
hat, kann in gleicher Weiseif
,else
,end
verwenden.
Unterschiede zwischen Ruby und C++
Naheliegenderweise gibt es auch eine lange Liste von Unterschieden zwischen Ruby und C++:
- Referenzen sind implizit und es gibt keine Möglichkeit, Objekte by value an Methoden zu übergeben. Variablen enthalten immer eine Referenz auf ein Objekt.
- Ob ein Objekt eine Methode wirklich kennt, wird erst zu Laufzeit überprüft. Die Notwendigkeit abstrakter Klassen und Methoden entfällt.
- Statt
this
schreibt manself
. - Der Konstruktor heißt
initialize
. - Alle Methoden sind virtuell.
- Es gibt keine Mehrfachvererbung, allerdings kann eine Klasse die Methoden eines oder mehrerer Module erben (“mixins”).
- Es können jederzeit zusätzliche Methoden zu einer Klasse hinzugefügt werden. Objekte können Methoden ihrer Klasse überschreiben oder neue Methoden hinzufügen. Dies vereinfacht die Implementierung von Strategien.
- Anzahl und Typ der Argumente dienen nicht der Identifikation einer Methode, ihre “Signatur” besteht nur aus dem Namen. Daher können Methoden überschrieben, aber nicht überladen werden.
- Es gibt Konventionen zur Groß- und Kleinschreibung, die auch beachtet werden sollten: Klassennamen und Konstanten fangen mit einem Großbuchstaben an, Methoden und Variablen mit einem kleinen. Bei der Auswertung eines Ausdrucks beeinflusst die Schreibweise das Verhalten des Interpreters.
- Methodennamen dürfen auf ’?’ oder ’!’ enden. Solche Methoden sollten per Konvention einen Wahrheitswert zurückgeben (?) oder das Objekt verändern (!).
- Die Namen von Instanzvariablen (in Ruby “Attribut” genannt) beginnen
immer mit einem
@
, Klassenvariablen werden nicht mit den Schlüsselwortstatic
gekennzeichnet, stattdessen beginnt der Name einer Klassenvariablen mit@@
. - Der Zugriff auf Attribute erfolgt immer über Zugriffsmethoden.
- Da es keine statische Typprüfung gibt, werden C++-Templates und Casts nicht benötigt.
- Es gibt keine Typ-Konvertierungsoperatoren. Sie werden sie aber voraussichtlich nicht vermissen.
- Es gibt von Hause aus nur zwei Container-Typen:
Array
undHash
. - Iteration wird etwas unterschiedlich gehandhabt. In Ruby verwendet man
kein separates Iterator-Object (wie z. B.
vector<T>::const_iterator iter
). Stattdessen können Klassen dasEnumerator
-Module erben (als Mixin), dann steht die Methodemy_obj.each
zur Verfügung. - Multithreading ist in den Ruby-Interpreter bereits eingebaut, in der Version 1.8 gibt es allerdings nur “green threads”, also keine Abbildung auf die Threads des Betriebssystems.
- Ruby enthält bereits ein Unit-Test-Framework.